Bei der "Seed-Implantation" handelt es sich um ein hochmodernes strahlentherapeutisches Verfahren, das bei Patienten mit lokal begrenzten Prostatakarzinom eingesetzt wird. Unter ständiger Ultraschallkontrolle werden in Voll- oder Teil-Narkose bis zu 80 kurzstrahlende, kleinste Strahlungsquellen (sogenannte “Seeds”) aus Jod in die Prostata eingesetzt. Dies geschieht mit Hilfe von Punktionsnadeln, die über ein Koordinatenzielsystem an genau vorausberechnete Positionen in der Prostata platziert werden. Die Seeds werden an der gewünschten Position in der Prostata abgelegt, wo sie verbleiben, um dort ihre Strahlenwirkung auf das Prostatakarzinom zu entfalten.
Für das Frühstadium des Prostatakrebses gilt die Seed-Implantation als gleichwertig wirksames Verfahren zur Radikal-OP, ist aber für den Patienten wesentlich schonender. Inkontinenz wird praktisch nicht, Impotenz mit 10-30 Prozent nach drei Jahren wesentlich seltener beobachtet als nach einer Operation. Erektionsstörungen treten außerdem nicht wie bei der operativen Entfernung der Prostata direkt auf, sondern entwickeln sich schleichend.
Nach aktuellen Daten aus dem Seattle Prostate Institute liegt die 15-Jahres-Überlebensrate nach Seed-Implantation bei Patienten mit einem niedrigen Risiko bei 94 bis 98 Prozent und bei Patienten mit mittlerem Risiko bei 89 bis 97 Prozent. Wie die Ergebnisse einer Langzeitstudie zur Seed-Implantation des Westdeutschen Prostatazentrums* demonstrieren, betrug die biochemische Rezidivfreiheitsrate nach einem Follow-up von 71 Monaten für Patienten mit niedrigem und mittlerem Risikoprofil 97 bzw. 94 Prozent. Die Ergebnisse bestätigen Langzeitstudien aus führenden europäischen und US-amerikanischen Instituten. Ein vergleichbares Ergebnis erzielten Potters und seine Mitarbeiter (Potters et al.): Von insgesamt 733 Patienten weisen nach 7 Jahren 84 Prozent einen PSA von weniger als 0,5 ng/ml auf. Damit gilt die Seed-Implantation bei lokal begrenzten Tumoren als gleichwertig wirksames Verfahren zur Prostatektomie (Kupelian et al.) ist jedoch für den Patienten wesentlich schonender.
*Neubauer S, Derakhshani P., Weise C., Spira G.: Interstitial low-dose-rate mono-brachytherapy with I125-relapse-free survival and dosimetric outcome for localised prostate cancer in a single european institution Brachytherapy, Vol. 7, Number 2, 2008
Nach den aktuellen Leitlinien der Fachgesellschaften für Urologie und Strahlentherapie wird die Seed-Implantation vor allem für Niedrig-Risiko Patienten mit einem PSA unter 10, einem Gleason-Score unter 7b und einem Tumorstadium von T1c oder T2a sowie einem Prostatavolumen von unter 50ml empfohlen. Nicht geeignet sind Patienten, die innerhalb der letzten sechs Monate eine transurethrale Resektion der Prostata haben durchführen lassen.
Vor der Seed-Implantation
Nachdem Urologe und Strahlentherapeut die Indikation zur Seed-Implantation gestellt haben, wird sechs bis acht Tage vor dem Eingriff die „Vorplanung“ mittels transrektalem Ultraschall über den Enddarm durchgeführt. Die so entstandenen Bilder werden an einen Planungsrechner übermittelt. Anhand der Größe, Form und Lage der Prostata bestimmt der Strahlentherapeut die Anzahl und Position der Seeds.
Blutverdünnende Medikamente wie Aspirin, ASS, Eliquis, Lixiana, Plavix, Xarelto oder vergleichbare Präparate müssen eine Woche vor der Operation abgesetzt werden. Am zweiten Tag vor dem Eingriff erfolgt die Einnahme eines Antibiotikums sowie eines Alpha-Blockers gemäß der ärztlichen Verordnung. Am Tag vor dem Eingriff sollten schwer verdaulich Speisen gemieden werden. Sechs Stunden vor dem Eingriff darf weder gegessen noch getrunken werden. Am Abend vor dem Eingriff erfolgen abführende Maßnahmen, um den Enddarm zu leeren.
Der Eingriff
Bei der “Seed-Implantation” werden in Voll- oder Teil-Narkose unter ständiger Ultraschallkontrolle bis zu 80 kurzstrahlende, kleinste Strahlungsquellen (sogenannte “Seeds”) aus Jod in die Prostata eingesetzt. Dies geschieht mit Hilfe von Punktionsnadeln, die über ein Koordinatenzielsystem an genau vorausberechnete Positionen in der Prostata platziert werden. Die Seeds werden an der gewünschten Position in der Prostata abgelegt, wo sie verbleiben, um dort ihre Strahlenwirkung auf das Prostatakarzinom zu entfalten. So wird das Tumorgewebe durch hochdosierte, gezielte Strahlung von innen zerstört. Bis vor einigen Jahren wurde bei der Seed-Implantation eine Vorplanung vorgenommen, die in einem Strahlenplan mündet, der einige Tage bis Wochen vor dem eigentlichen Einsetzen der Seeds berechnet wurde. Diese Methode wurde durch die wesentlich genauere Online-Planung ersetzt. Die Vorplanung dient jetzt nur noch der Bestellung der Zahl und Aktivität der Seeds für den Eingriffstermin. Die eigentliche Planung erfolgt “Online”, d.h. erst während der Narkose des Patienten werden die Ultraschallbilder erstellt, die die Basis für den individuellen Bestrahlungsplan des einzelnen Patienten darstellten. Die angestrebten Positionen der Seeds werden permanent mit dem tatsächlichen Ablageort im Ultraschallbild verglichen. Verschiebungen des Strahlenplans können daher noch genauer korrigiert werden. Die Präzision der Brachytherapie steigt, was zu einer Optimierung der Behandlung führt. Der Eingriff dauert etwa 60 Minuten. Da es sich um einen minimal-invasiven Eingriff handelt, ist diese Methode nicht belastend für den Organismus.
Nach der Seed-Implantation
Etwa vier Wochen nach dem Eingriff erfolgt eine sog. Nachplanung. Hierbei wird mittels Computertomographie überprüft, dass die Seeds noch an den ursprünglich geplanten Positionen liegen. Wenn notwendig ist zu diesem Zeitpunkt eine Korrektur ohne Probleme möglich.
Alle weiteren urologischen Nachsorgeuntersuchungen wie die Bestimmung des PSA-Wertes, eine Ultraschalluntersuchung sowie die Bestimmung von Erektionsfähigkeit und Miktion anhand standardisierter Fragebögen erfolgen zunächst vierteljährlich. Zu beachten: Bedingt durch eine entzündliche Reaktion der Prostata kann ein vorübergehender Anstieg des PSA-Wertes auftreten. Der sog. PSA-Bounce ist daher nicht unbedingt auf ein Fortschreiten der Krebserkrankung, sondern kann durch die Strahlenwirkung auf das Prostatagewebe ausgelöst werden. Normalerweise können die Patienten Ihre beruflichen Aktivitäten innerhalb weniger Tage nach dem Eingriff wieder aufnehmen. In der ersten Zeit sollten die Behandelten sich körperlich schonen und auf Folgendes achten: In den ersten zwei Wochen sind Baden, Schwimmen Saunabesuche, sexuelle Aktivitäten sowie schweres Heben verboten. Druckbelastung von Prostata und Damm, z. B. durch Fahrradfahren, Reiten oder Sitzen auf harten Flächen sollte für etwa acht bis zwölf Wochen vermieden werden.
Seed-Implantation - Nebenwirkungen
Die Nebenwirkungen der Seed-Implantation sind sehr gering. Akute Nebenwirkungen treten meist erst nach 2-4 Wochen auf und sind durch eine vorübergehende Reizung der Blase und des Darms charakterisiert. Es kann zu einer erhöhten Stuhlfrequenz und Beschwerden beim Wasserlassen kommen. Einige Patienten berichten auch über Blut im Urin oder Ejakulat. Stärkere Blutungen werden jedoch nur sehr selten beobachtet. Auf lange Sicht entsteht bei 20-30% der Patienten eine Potenzstörung, die dann einer medikamentösen Therapie bedarf.
In den USA wird die Seed-Implantation bereits seit mehr als 25 Jahren praktiziert und mit jährlich 80.000 Patienten häufiger eingesetzt als die operative Entfernung der Prostata. Auf Grund der guten Heilungsraten bei vergleichsweise geringfügigen Nebenwirkungen hat sich die Methode mittlerweile auch in Deutschland als anerkanntes Verfahren zur Behandlung von Prostatakrebs etabliert. Für das Frühstadium des Prostatakrebses gilt die Seed-Implantation als gleichwertig wirksames Verfahren zur Radikal-OP, ist aber für den Patienten wesentlich schonender. Nach den aktuellen Leitlinien (2021) der Deutschen Gesellschaft für Urologie (DGU) leiden Patienten nach Seed-Implantation deutlich seltener unter Beeinträchtigungen ihrer Potenz. Auch die Harninkontinenz, die nach der radikalen Entfernung der Prostata bei bis zu 50 Prozent* liegt, ist mit 0,3 bis 3 Prozent nach Seed-Implantation verschwindend gering und tritt eigentlich nur nach vorangegangener transurethraler Prostataresektion (TURP) auf. Immer mehr Experten fordern bei der Wahl der Therapie neben der Heilungsrate als wichtigstes Kriterium auch die Nebenwirkungen der Behandlung stärker als bisher zu berücksichtigen.
*S3-Leitlinie zum Prostatakarzinom 2021, Deutsche Gesellschaft für Urologie (DGU)